Gewidmet dem Mädchen, mit dem ich zur Zeit dieses Trips zusammen war, für Vertrauen und tiefes Verständnis.

14.06.05
Aufbruch in der fränkischen Heimat war schon vor paar Tagen, bis gestern wurde noch das Hurricane mit unserer Anwesenheit beehrt, von da dann zurück nach Lohne, wo ich am Donnerstag schon Ina + Annika aufgegabelt hab. Die 2 haben sich dann sofort bereit erklärt mich zwecks Erholung und Kultivierung noch eine Nacht aufzunehmen. Heut Mittag ging’s dann los mit Kurs auf Polen, wobei mir der Atlas verraten hat, dass mein Weg durch Berlin läuft, was zwangsläufig einen Absacker bei Freddy zur Folge haben wird. Hab ihn leider erst nach x Versuchen erreicht, neue Telefonnummer, die es erst über 3 Ecken und den Alex in Erfahrung zu bringen galt. KM technisch lieg ich derzeit bei ca. 1500 seit Heimatstart, das Klopfen das hinten rechts so verdächtig geklopft hat klopft nicht mehr seit ich das Bett wieder waagrecht hab, ich hab noch Bier in Massen, dank den Mädels, die mir eine Palette überlassen haben. Bisherige Komplettbilanz: Herrlich! Außerdem heizt der Kühlschrank wie ein Kachelofen, auch auf 12V, muss nur lange genug laufen. Also kein Problem mit Gasmangel. Sitz nun hier in Berlin, hab mir eine halbe Dose schmackhafte Ravioli durch eine Zwiebel verfeinert und warte auf den studierenden Freddy Leikauf......

15.06.05
Bin gestern dann gegen 10 hoch zum Fred, wurde noch schwer lustig, Konsum war hoch, die Stimmung genauso. Sind dann beide irgendwann vorm TV eingepennt, da der Film auf Englisch in unserem Zustand ziemlich unverständlich war. Morgens wurde dann noch mal geduscht, Freds letzte Frühstücksreserven dezimiert und dann irgendwann Richtung Ausland aufgebrochen. Zwischenstop nach schnell am örtlichen Walmart, Wasser fassen, Papier kaufen und die Ausrüstung um ein Überbrückungskabel erweitert, hab meines leider daheim vergessen. Dann noch kurz ins I-Cafe, kurzes Heimatupdate, dann wieder auf die A 10 Richtung Frankfurt/Oder und Polen. Tagesziel: Warschau, über 600km....
Grenze war absolut stressfrei, ein Polizist, Perso, Weiterfahren. Kurz hinter der ersten Siedlung dann Tankstop, Diesel für 85 ¢. Der Fahrstil der Polen ist ziemlich derb, muss ich hier mal vermerken, aus 2 Spuren werden schon mal 3, im Extremfall 4. Und sie erwarten beim Überholen dass der Gegenverkehr ausweicht, gibt ja fast nur Landstraßen. Hab mich aber schnell dran gewöhnt, weiche brav nach rechts aus wenn von hinten einer drängelt, er bedankt sich anschließend durch kurzen Warnblinker, sogar die Cops. Irgendwann kam dann ein Schild dass auf eine Autobahn nach Warschau verwiesen hat, ich also aus der kargen Landschaft mit seinen halbverfallenen Dörfern raus auf die überraschend gut ausgebauten Schnellstraße. Gute Fahrbahn, wenig Verkehr und Rastplätze mit sauberen Scheißhäusern. Bin dann irgendwann raus, den Rest der Ravioli verdrückt und hab Siesta gehalten. Noch 300 km bis Warschau. Gegen 10 hab ich dann beschlossen auf einem LKW-Rastplatz zu übernachten. Der wenige Verkehr auf der Autobahn ist, denk ich, auf die Maut die sie hier alle 50 km verlangen zurückzuführen. Kostet jeweils 11 Zloty, so ungefähr 2,50 €, geht also noch. Heut früh hab ich dann die Sanitäranlagen zwecks Waschung besucht und bin fast rückwärts wieder raus. Und ich darf sagen ich bin einiges gewohnt was das Thema betrifft. Dschungelplumpsklos in Kolumbien haben mehr Hygiene als polnische Rastplatzbunker. Außerdem hab ich meine Zahnpaste im Tran von gestern morgen in Berlin liegen gelassen, werde also meine Mautwechsel-Zlotys, die ich bekommen habe als ich mit Euros bezahlt habe, in Zahnreinigungsutensilien investieren. Ach ja, es wird mir ziemlich langweilig ohne Gesellschaft, denke ich werde in Helsinki mal ein Hostel anlaufen.

16.06.05 Eintrag II 23:30, Litauen
Habe die Fahrtaktik umgestellt, nicht mehr versucht den Todpunkt am Nachmittag zu überwinden, sondern einfach wieder Siesta am nächsten Rastplatz abgehalten. Zeit war genug vorhanden, warum also Stressen und unnötig km runter reisen? Danach konnte ich dann locker bis ca. 120 km vor Riga vorstoßen. Litauen war also betreten worden. Die Kontaktdepression hat mir dann ein polnischer Polizist genommen, er hat mich gestoppt weil ich eine doppelt durchgezogene Linie (Überholverbot, wie in D auch) überfahren habe. Den polnischen Fahrstil hab ich mir dann wohl doch zu schnell angewöhnt. Wollte bei Gegenverkehr einen Bus überholen, haben auch brav alle Platz gemacht, nur der Streifenwagen war dann eben 100m weiter gestanden. Wollte erst mal alle möglichen Papiere, ich hatte alle möglichen, was ihn sichtlich gefreut hat. Problem Nummer 1 dann: Ich spreche Deutsch, Englisch und schlecht Spanisch, er nur polnisch und russisch. Irgendwie kommen wir dann aber klar, er kann doch paar Zahlen auf Deutsch. Dann hat er mir anhand eines absolut verständlichen (kein Scheiß!) Busgeldkatalogs mit Symbolen und allem drum und dran erklärt dass mich der Spaß 200 Zloty kostet. Hatte ich nicht, also frag ich ihn nach einer Bank. Er schaut mich an, überlegt, fragt ob ich nach Russland weiter will. Ich: „Nix! Finnland!“, er überlegt wieder, schaut auf die Uhr, es war kurz vor 6 abends, merkt dass er wohl bald Feierabend hat, schaut mich wieder an, grinst und sagt: „No Straf!“, untermalt durch die international verständliche Handbewegung die ungefähr bedeutet „Schau dass du weiter kommst, sonst überleg ich's mir noch mal!“. Sehr geil! Ein hoch auf diesen Mann, genau die Art von Polizist mit denen ich keine Probleme hab, tun ihre Arbeit, sind aber nicht Dienstgeil, und mit korrupt hat das auch nichts am Hut. War aber bisher auch das einzig positive in Polen, ein hässliches Land ohne Gleichen. Beschissene Straßen, alles platt, ohne irgendwas Sehenswertes. Und die komplette Landschaft ist mit ca. 100 Werbetafeln auf 1 km total verschandelt. Einzige Abwechslung zur Reklame sind die Leuchtschilder von den Bordellen und Absteigen die es hier in jedem Ort ab 3 Häusern gibt. An der Grenze zu Litauen war’s dann wieder stressfrei, Pass und Papiere, kurz checken, Gute Reise. Sehr freundliche Leute, kamen sehr locker und entspannt rüber, passte irgendwie gar nicht zu der gesteiften Uniform. Von Litauen bin ich derzeit sowieso schwer begeistert, saubere Straßen, freundliche Leute die dir sogar beim Tanken alles mit Händen, Füßen, Stift und Papier erklären. Die Landschaft ist wahnsinnig gut, es fährt sich entspannter, der Verkehr ist absolut locker und nicht so extreme Hetze wie in Polen. Außerdem bauen die hier Straßen wie die Irren, alles noch nicht auf der Karte und alles was alt ist ist gerade Baustelle.

18.06.05 Seefahrer 10:00
Bin am 16. nach einem Tankstop an einer Raststätte rausgefahren und hab kurz vor der lettischen Grenze übernachtet. Schlafsack war noch nicht nötig, ist bisher warm wie in den Tropen und das Busaggregat heizt den Schlaftrakt zusätzlich mit. Hab zwecks finnischem Zoll den Schnaps sowie die Bierreserven ins Dach verfrachtet und Hannes alten Schlafsack zum Schmuggeldepot umfunktioniert,wollte noch bis Tallinn vorstoßen und da eine Fähre nach Helsinki entern, wurde aber zu stresig. Vorher wurden bei knackigen 26° die wieder sehr freundlichen Grenzer von Lettland beehrt, Riga passiert und irgendwann das erste Stück Ostsee erspäht, mit Sandstrand und allem was dazu gehört. Man fragt sich warum die Leute aufs überfüllte Mallorca fliegen wenn sie hier im Osten das gleiche bekommen können. Genau dort wurde dann erst mal Pause gemacht, in der Sonne gesessen, gemütlich was gekocht und relaxed. Nachmittags wurde dann weitergezogen, Kurs Nord, und nach nur einem Tag war Lettland abgehakt, Estland wurde erreicht. Tallinn, die Hauptstadt und Fährhafen nach Finnland, ist schon an der Grenze ausgeschildert. Die Landschaft ist nach wie vor wahnsinnig schön, kurvenreiche Landstraßen, kleine Gehöfte, dazwischen Felder auf denen die europäischen Subventionen noch nicht angekommen sind und die Arbeit noch mit Hand und Pferd erledigt wird. Die Stimmung ist gut, Spirtualized und Turbonegro erheitern das Gemüt, der Bully läuft astrein und das Klopfen kommt nur noch selten und wird deshalb gekonnt ignoriert, da nach einem eingehenden Check nix zu finden war was sorgen bereiten könnte. Irgendwann kam dann Tallinn und der Wegweiser zur Fähre, 40km außerhalb. War nur die Falsche, und ich hab’s erst geschnallt als ich mich dort schlau gemacht hab. Die dortige fährt nur nach Schweden und da will ich erst später hin. Also Kommando Zurück, mit der Info dass ich quer durch die ganze Stadt muss um zur Fähre nach Finnland zu kommen. Zackdiflack, 100 km Umweg, Tank noch mal zu Baltikumspreisen vollgelassen, dann endlich am Ziel. Nach ewiger Suche hab ich mich dann kurzerhand auf den Reisebusparkplatz geschmuggelt, der normale war kostenpflichtig und ich hatte keine EEK (estnische Währung). Dann rein in den Glasbau und Fähre klären. Hab die nette Frau am Schalter dann auch nur schlappe 20 min aufgehalten bevor ich mich entschlossen hab noch eine Nacht auf meinem Busparkplatz am Terminal zu verbringen und mit der Express um 10:00 am nächsten Tag überzusetzen. Die langsamere, eigentlich billigere Nachtfähre setzt eine Kabine voraus, wodurch das ganze wieder teurer wird, und die langsame Tagesfähre für 18:00 war schon voll. Also Express. Dann zurück zum Bully, wo schon ein 2. VW neben meinem Stand um die Parkgebühr zu umgehen, Pritschen-DoKa mit Aufbau aus Braunschweig. Ein Rentnerehepaar, auch auf dem Weg nach Finnland, kurz geplaudert, paar Infos getauscht, noch ein allabendliches Bier, Wecker gestellt und noch eine Runde gelesen, wobei ich hier mal eben vermerken muss, dass es hier schon fast nicht mehr dunkel wird, nur ewige Dämmerung, dann kurz dunkel und um 3:30 schon wieder taghell. Heute früh dann zeitig aufgewacht, noch einen Kalender gemalt, da ich vergessen hab mir einen zu besorgen, dann Fähre einchecken, verzurren etc, schwups und hier sitz ich jetzt grad an Deck. Plan für heute:
Finnland anektieren, Supermarkt suchen, Vorräte aufstocken, Campingplatz irgendwo außerhalb suchen, DUSCHEN!
Die am litauischen Parkplatz hat leider nicht funktioniert, deshalb stink ich inzwischen wahrscheinlich wie ein Tier das irgendwann mal in einen Dieseltank gefallen ist.

Bin mal wieder völlig elanlos, es fehlt jeglicher Impuls für irgendwas. Es ist der 20.6., ich lieg im Bully und bin so faul, so was geht gar nicht. Vor 2 Tagen hat’s mir ein Grinsen übers Gesicht gezogen als die Zwiebeln in der Pfanne angefangen haben zu zischen und meine Augen brannten weil die Scheiben auf Grund von derben Mosquitoalarm zu bleiben mussten. Gerade begeistert mich gar nichts. Hab mich nach der Ankunft am 18. in Helsinki noch gut verfranzt, es ging überall hin, nur nicht nach Lathi, der Richtung die ich auserkoren hatte. Bin dann einfach erst mal immer Richtung Zentrum, wollte da noch paar Sachen erledigen. Supermarkt, dann weiter in die Innenstadt, auf die Odyssee nach einem Parkplatz die eigentlich keine war, trotz aller Warnungen a la „In der City von Helsinki gibt’s nichts zu parken, absolut null!“ hatte ich nach 5 min einen. Also doch rein in die Stadt, weg nach Lathi war da dann auch ausgeschildert und das Wetter war nebenbei auch noch astrein. Als erstes die Touristeninfo an der Ecke angelaufen und eine Umsonst - Straßenkarte von Finnland abgestaubt, der ADAC hat’s ja leider nicht mehr geschafft mich mit Kartenmaterial zu versorgen, und da ich mich auf die Gelben Engel verlassen hatte blieb mir nur mein Atlas von 99/00. Deshalb wurde beschlossen Karten immer Vorort zu organisieren. Dann noch paar Infos eingeholt, die Hostelpläne wurden verworfen, nichts unter 20€/Nacht, zuviel für mein Budget. Den Nachmittag über bin ich dann noch durch die Stadt flaniert, hier was gegessen, da einen Kaffee gezogen, den Hafen besucht, im Park gesessen und den Leuten bei ihren Geschäften zugesehen. Irgendwann dann wieder raus aus der Stadt, wollte bis Heinola fahren, da hört die Autobahn auf. Als ich aus der Stadt dann raus war konnte ich die Endorphine nicht mehr aufhalten, eine komplette Durchspülung. Die Landschaft wurde erst atemberaubend, dann schwer überragend, ein See nach dem anderen, unter mir, neben mir nach dem Wald, vorher, überall nur Wasser und uralte Bäume und ich eier quer durch. An der Campsuche bin ich dann allerdings fast verzweifelt. Von „Urlaub auf dem Bauernhof“ über 100te von Hütten am See bis zum Jugendpartyplatz hab ich nichts gefunden wo ich mal für 2 Tage ungestört bleiben könnte um auszuspannen und gleichzeitig keinen zu stören. Jeder Waldweg führt zu privaten Hütten oder Anlegern für Bootsangler. Kurz hinter Joutsa hab ich dann beschlossen auf den nächsten Campingplatz der halbwegs abseits liegt zu fahren. Genauso wurde es dann auch gemacht. Platz ist sehr geil, ruhig ohne Ende, ich campier direkt am See und neben mir ist noch ein ganzes weiteres Gefährt oben im Wald vertreten. Leute sind auch locker, wenn keiner da ist einfach rein fahren, der Chef kommt dann irgendwann vorbei und kümmert sich ums einchecken. Hab dann noch die angefangen Dosenspaghetti mit Zwiebeln und anständig Gewürz versehen, paar Bier dazu, dann in den Schlafsack.

Am 19. war ich dann fast so faul wie heute. Kurz mit der Heimat telefoniert, Boot aufgebaut und paar Stunden den See erkundet, was gekocht, paar Bier dazu, Timmerberg angefangen zu lesen, die Mosquitos mit antiken Rauchschnecken aus der Zeit von Flips Vater vertrieben und mich ansonsten weitestgehend am Arsch lecken lassen.

Heute hab ich's dann immerhin schon geschafft den neuen Erntedankstuhl vor die Tür zu stellen, 2 Stunden darauf zu verweilen um dann wieder in den Bus zu kriechen weil der Wind frischer wurde. Denk ich bleib noch eine 3. Nacht hier, paddel noch eine Runde und breche morgen wieder auf um paar KM grob in Richtung Kap zu reisen. Hab ewig Zeit, locker 2 Wochen noch bis zum Kap, dann wieder 2 Wochen für Lofoten und Schweden bis Stockholm, reicht dicke. Hoffe die deutschen Kollegen machen keinen Rückzieher und kommen hoch.....

22.6.05
Bin gestern Vormittag bei bestem Wetter und noch besserer Laune aus dem Bus geklettert, hab die Rechnung beim Campchef beglichen und beschlossen mal wieder in die Zivilisation zu fahren und einen auf Kultur zu machen. Laut Finnlandschinken vom Hannes ist die Burg von Savonlinna einen Abstecher wert, nebenbei ist die Strecke auch nicht zu verachten, alles kleine Landstraßen durch Dörfer und Siedlungen, quer durch die finnische Provinz, genau das was ich gesucht hab. Autobahn ist zwar im allgemeinen schneller und bequemer, dafür bekommt man aber auch nur Asphalt und schnurgerade Bahn. Außerdem kommt der Bully sowieso nicht über die 105 Sachen, wodurch sich eine Entscheidung zwischen Autobahn und Landstraße absolut egalisiert. Also Aufbruch Richtung russischer Grenze, ca. 100km einfach. Gegen 2 war die Burg dann erreicht, Parkplatz und Parkscheibe abgestimmt, wobei mal vermerkt werden muss dass die hier extrem scharf auf die Dinger sind, sogar auf dem Supermarktparkplatz wollen sie für 2 Std. Maximum die Scheibe im Fenster sehen. Die Wasserfestung selbst war dann ganz schnicke, zwar nicht riesig wie man bei einer Festung immer erst mal denkt, dafür aber traumhaft gelegen, direkt im See, mitten in einer verschlafenen Kleinstadt. Am Eingang hieß es dann 5€ Eintritt berappen und ohne Führung geht nix, laut Schild. Die Tickettante hat dann aber erklärt ich könnt auch so rein, nur eben nicht überall hin. War mir auch recht, hatte heute keine Lust auf Geschwafel und aufgeblasene Fakten. Also rein, eine Runde durchs Gemäuer flaniert und irgendwann im Burghof gelandet, der mit einem Dach verbaut war das dem Münchner Olympiastadion Konkurrenz machen kann. Unten drunter dann eine Bühne und die dazugehörigen Ränge der Sitzplätze. Durch die überall verstreuten Gerätschaften und Aufbauten, die für die bevorstehenden Opernfestspiele vorbereitet werden, vereiteln den Charakter der Burg leider ein wenig, war dann eher schlechtes Timing für einen Besuch. Der Ausblick über den See von der Mauer aus war nicht ohne, hatte nur wieder überall Dachkonstruktion um mich. Nach einer Stunde bin ich dann wieder raus, der Oberhammer war's nicht, aber für sowieso auf dem Weg und kurzweilige Abwechslung am Nachmittag taugt die Burg absolut. Bin wohl mit der Kaiserburg vor der Haustür und der Hafenfestung in Havanna leicht verwöhnt was Bauten dieser Klasse angeht. Egal, hab den Bus um geparkt, wieder wegen Parkscheibe, und hab noch schnell in einer Buchhandlung I-Net for free schmarotzt. Diesmal war nix los, der Rechner schnell, die Tastatur OK, ausschweifenden E-Mails in die Heimat stand nichts im Weg. Nach 2 Std. am PC hab ich der Buchhandlungsfrau noch mal danke gesagt, zurück zum Supermarkt, wo der Karren stand, dort gleich noch Proviant aufgestockt, dann Aufbruch mit Kurs Nord. Die Dorfstraßen waren der Hammer in Dosen, kurvenreich, gute Kulisse und kein Verkehr, mir kamen die 100 Sachen auf dem Tacho vor wie kurz vor Lichtgeschwindigkeit. Irgendwann kam dann völlig unverhofft eine Bodenwelle, die ich aufgrund der Waldschatten nicht gesehen hab, ich drüber geschossen, die Teller in der Spüle sind durch die Gegend geflogen und ich wäre fast abgehoben. Als sich die Situation dann nach der Schrecksekunde entspannt hatte, hing der Bus nicht mehr am Gas. Erster Gedanke: „Scheiße, irgendwas hat's zerlegt.“ Einen Sekunde später stell ich fest das die Cockpitelektrik weg ist, ich überlege noch eine Sekunde, fasse zum Zündschlüssel und mir fällt ein Hinkelstein vom Herz, ist nur die Zündung aus, bin wohl bei der Flugaktion mit dem Knie dagegen und hab den Schlüssel um paar mm verdreht. Ein Handgriff und ich hatte wieder satte 55 Diesel-PS unter den Sohlen. Die Strecke ging dann weiter über Landstraßen um die „Städte“ Varkaus, Kuopio und Lisalmi rum Richtung Lappland, dem Norden Finnlands, die Gegend in der Siedlungen mit mehr als 20.000 Einwohnern als Ballungszentren gelten und Dörfer oft nur 2 Häuser haben, aber trotzdem 2 km lang sind, was von guten Grundstückspreisen zeugt. Bin dann so gegen 11 Uhr nachts, immer noch taghell, so wie bei uns um 9, nur hier wird’s nicht dunkler, auf einen verlassenen, verwilderten Badeplatz gefahren um da zu nächtigen. Moskitos waren mal wieder vertreten wie Streußel auf dem Kuchen, nur nerviger. War also nichts mit noch einer gemütlichen Runde draußen flacken.

Bin dann heute mit der Idee aufgewacht Kajaani mal näher unter die Lupe zu nehmen, die Stadt der Zonenkreuzungen, Küste und Ostgrenze, Seenplatte und Lappland, in der Gegend um diese Siedlung treffen alle diese Regionen aufeinander, innerhalb von wenigen km, in egal welche Richtung wechselt man das Territorium. Laut Propaganda nichts großartiges, was schon mal gute Voraussetzungen sind.
Hat sich dann als absoluter Volltreffer bewahrheitet, ein Städtchen wie es besser nicht sein kann. Kleine Innenstadt mit Platz und gelassener Bevölkerung drumherum, Café und Markt um die Ecke, paar Häuser, sonst nichts. Ganz normal, keine Reklametafeln für Touristenattraktionen von Kajaken über Trekking bis zum Holzhüttenzauber. Entspannte Atmosphäre, astreines Wetter, hier halt ich's erst mal aus.

17 Uhr irgendwas
Bin nach einem Tag in der Provinzstadt weiter über die Landstraßen hoch mit grober Peilung auf Rovaniemi, zwischendurch noch den Bus gecheckt, Proviantvorrat aufgestockt und locker noch paar KM auf den Tacho gespult. Irgendwann hat mich dann der Hunger gepackt und es wurde beschlossen die nächste Rastmöglichkeit anzulaufen und einen Salat zu panschen. Also raus auf den nächsten Rastplatz, auf dem dann schon ein Kollege mit Camper Baujahr Mitte '60 stand, hat sich allerdings nicht viel gerührt. Entweder er hält Siesta oder er ist am See. Salat war dann eine schnelle Sache, anständig scharf, mit einer kompletten Zwiebel, Paprika, Mais, dazu das halbe Schwarzbrot und den Focus von letzter Woche, was besseres gab's nicht um halbwegs auf dem laufenden zu bleiben. Irgendwann startet hinter mir das Dieselaggregat des Drifterkumpans, er fährt vorbei, hat die selbe Frisur wie ich, ist aber so älter als sein Gefährt. Er grüßt mit einem Grinsen und gibt mir im vorbeifahren den ThumbUp, ich gebe zurück, Daumen hoch, dann gibt er Gas und verschwindet nach 10m hinter der nächsten Kurve. Für solche Momente lieb ich das Driften, Entschädigung für Tage der Einsamkeit und das Gefühl von blindem Verständniss.

Noch später
Ich hab mit 13 zu trampen angefangen um das Busgeld zum Konfirmandenunterricht für Zigaretten zu sparen und bin so auf den Hund gekommen dass diese Art von A nach B zu kommen auf keinen Fall die schlechteste ist. Irgendwann wurde die Anhalterei dann immer normaler, und als ich meinen eigenen fahrbaren Untersatz über die Straßen bewegte hatte ich es bereits als Selbstverständlichkeit angesehen jeden der mit dem Daumen draußen am Straßenrand steht mitzunehmen. Eben auch den Kerl, etwa 70 Lenze alt und rote Nase, der irgendwo hinter Puolanka an der Bushaltestelle stand und per internationalem Handzeichen eine Mitfahrgelegenheit suchte. Er sprach kein Wort Englisch oder Deutsch, ich kein bisschen Finnisch. Hab ihm dann kurzerhand die Karte in die Hand gedrückt und mit extremen Verrenkungen zu verstehen gegeben in welche Richtung ich unterwegs bin. Er hat mir sofort gezeigt wo er raus will, steigt ein und plaudert drauf los als sei ich des finnischen von Geburt an mächtig. Ich signalisiere ihm wieder dass ich keinen blassen Schimmer hab, ihm aber egal, denke er war froh überhaupt jemandem was erzählen zu können. 2 Worte konnte ich dann allerdings doch verstehen: Lappland und Nordkap. Ich jedes mal eifrig genickt, er gegrinst, 50 km weiter war er am Ziel und ist mit einer Dankesgeste abgesprungen.

24.6.05 Sven Geburtstag
Bin dann auf der Suche nach einem Nachtlager von der doch sehr ungeteerten, aber optisch-eindrucksvoll und absolut traumhaften Piste runter auf einen Feldweg, der, wie soll's hier anders sein, mitten in den Wald führte. Paar 100 m weiter kam dann so was wie ein ausgetrockneter oder noch nicht ganz gefüllter See, Kiesgrund, viel Sand, ideal für Verstecken und Campieren. Astreiner Platz, leicht Anhöhe am Nordufer mit einigen alten Baumruinen wurde dann als Ort für die Nacht auserkoren. Hab dann nicht mehr viel gemacht, Runde gelesen und die Moskitos verflucht, welche mit zunehmen des Breitengrades immer schlimmer werden. Konnte mich nicht mal raus setzen, so penetrant waren die hier schon, Tendenz steigend. Und ich hab kein Anti-Brumm dabei, war mal wieder schlecht informiert....
Am nächsten Mittag dann zum ersten Mal Regen der aufs Busdach scheppert, wodurch mein Schlaf ein unfreiwilliges Ende fand. Anderseits war's mir ganz recht, so bleibt das Klima auf der Matte besser und ich kann noch eine Weile faul liegen bleiben ohne mich tot schwitzen zu müssen wie die letzten Tage. Als dann der Regen nachgelassen hat, bin ich mich mit Spaten und Stiefel in den Wald zum Latrienenbau geschritten um anschließend mit zerstochenem Arsch (alles Andere konnte ich beschützen) den Aufbruch vorzubereiten. Bis nach Rovaniemi waren es noch 100 km welche locker bis Nachmittag runter gerissen wurden.
Alles über absolut wahnsinnige Landstraßen, die Autobahn wird immer noch strickt gemieden, wir haben dicke Zeit und ich will mehr von dem Land sehen als seine Leitplanken und die quer in die Prärie geschlagenen Teerpisten. Naturstraße bremst zwar die Reisegeschwindigkeit, fördert aber die Entdeckungschance auf Kleinode und unerwartet schöne Landschaft, welche bei höherem Tempo lange nicht so gut wirken würde. Und die Ecken und Plätze zum verweilen und Absteigen sind in der Pampa um einiges besser als an den Hauptverkehrsstraßen. Nach jeder 2. Biegung ein weiterer Wahnsinnsausblick über ewige Wald und Prärieflächen, weite, karge Ebenen und Flusstäler.
In der Stadt wurde dann das Postamt um Karten erleichtert, und beschlossen die Route weiter über Nebenstraßen via Meltaus, Kittilä und Pokka auf Kurs Inarisee fortzusetzen. Der Sprit war dann auch wieder mal zu knapp bemessen, 15 km vor der Tanke wurde mal wieder der Reservekanister benötigt.
Irgendwo kurz hinter Rovaniemi liegt eine Grenze deren Überschreitung mir nun erlaubt zu behaupten mich in polaren Regionen aufzuhalten: der Polarkreis, zwischen 66° und 67° geographischer Breite. Ab dort gab es dann auch die ersten Rentiere am Straßenrand, meistens 3 oder 4 absolut nicht-scheue Tiere, stehen auch bei Ankunft von Gefährten in knallrot und mit einer Größe die die 10fache des ihren sein wird gelassen wie Hindukühe auf der Bahn und reagieren relativ unbeeindruckt auf Hupen. Streckentechnisch hab ich mich dann auf ungeteerter Straße bis nach Pooka durchgeschlagen, wo dann die Landschaft immer schöner wird, man glaubt es kaum, aber es gibt Berge, wenn auch keine Großkaliebrigen. Kurz nach dem Ort wurde dann auf einer Lichtung das Lager aufgeschlagen, Verkehr auf der 50m entfernten Straße ist absolut 0, alle paar Stunden ein Auto, dann wieder Einsamkeit Lappland pur. Hab dann erste mal beschlossen den Tag über noch hier zu bleiben, weshalb Sven seinen Geburtstagsgruß erst am 25. gestempelt bekommt. In Inari muss dann mal wieder die Tourinfo mit Gratisinternet aufwarten, hoffe ich doch sehr, und so nebenbei brauche ich noch die Landesfarben in selbstklebender Form für die legendäre NVA vom Kollegen Ali, die ich mehr oder weniger ohne sein Wissen mal mitgenommen hab, im Tran nach RIP ging das ziemlich unter. Hab ihn dann ja von Norddeutschland aus noch informiert und er hat das von mir erhoffte Verständnis durch einen Lachanfall und die Forderung nach allen tourrelevanten Flaggen auf der besagten Kühlbox quittiert. Aber wie gesagt, ich suche schon überall und finde nichts. Die inzwischen taghellen Nächte werden übrigens immer länger mit fröhlichem Getröte auf der Salami, das sich inzwischen schon halbwegs nach verschiedenen Tönen anhört, und allen anderen unnötigen Sachen verbracht und wenn der Durchsatz so weiter geht reicht die Bücherkiste nicht.

25.6.05 kurz vor 7
Sven hat seinen Geburtstagsgruß doch noch rechtzeitig erhalten, bin auf die glorreiche Idee gekommen das seit 2 Wochen deaktivierte Handy zur Kontaktaufnahme zu nutzen. Wenn man sich den Standart der ständigen Erreichbarkeit abgewöhnt hat kommt man da auch nur noch durch heftige Geistesblitze, die an die Entdeckung der Quantentheorie grenzen, drauf. Mittsommernacht war dann mittelprächtig, war die ganze Nacht hell, OK, war’s sonst auch, jetzt eben absolut komplett, war aber bewölkt und deswegen trotzdem dämmerig. Heute gegen Mittag dann aufgemacht und die restlichen 100 Km bis Inari locker bis Nachmittag abgefahren, Landschaft genossen und Musik durch die Gehörgänge geblasen als gäbe es kein Übermorgen. Stimmung war sichtlich gut! An Inari wäre ich dann fast vorbei gefahren, so klein ist das Kaff, 2 Souvenirshops, ein Supermarkt, 4 Häuser, der Rest ist auf die umliegenden Wälder verteilt. Aber absolut urig, klingt vielleicht sehr Touristenlastig, war aber eher völlig verschlafen und am Boden geblieben für den Stand den es in den Büchern hat. Im Touristenshop hab ich dann endlich den obligatorischen Sticker für Alis NVA (Gott sei Dank!) aufgetrieben, dann Post, Karten schicken und feststellen dass da eine Info mit drin ist, also mit Sicherheit auch Netz. Positiv. In der Ecke steht ein herrenloser PC der schwer öffentlich aussieht, luxuriöser Weise sogar mit Stuhl. Also freundlich gefragt ob ich da mal eben ran kann, wieder positiv, bestens, eben schnell noch Mail und News aus der Heimat checken. Wie es der Zufall will treffe ich dann an der großen Finnlandreliefkarte ein deutsche Paar das auf dem Weg nach Süden ist, sind auf Heimatkurs, waren auf der Strecke nach Norden nur auf den Fernverkehrsstraßen unterwegs und fanden es ziemlich öde. Also empfehle ich ihnen noch schnell die Route meiner Wahl über die Nebenstrecken, welche begeistert aufgenommen wurde. Wieder jemand geholfen. Der beste Weg glücklich zu bleiben: zu wissen das man helfen kann.
Irgendwann kam ich dann zu der Erkenntnis dass hier oben am See, entgegen aller Warnungen und Literatur, fast keine Moskitos unterwegs sind, was eigentlich zum verweilen verleitet. Ist zwar ziemlich touristische Gegend, kann aber ab und an auch mal ganz praktisch sein was Insider - Tipps angeht. Beschlossene Sache, ich bleib erst mal im Camper-Mekka Lapplands, Dusche wäre auch nicht verkehrt um das ZwiebelDieselBierAutanSchweiß-Aroma für einige Zeit zu egalisieren. Der erste Platz war dann absoluter Reinfall, geteerte Parkflächen mit abgegrenzten und genau parzellierten Rasenflächen pro KFZ, Altersdurchschnitt um die 85. Bin nicht mal ausgestiegen, eine Runde im Hof gedreht, dann wieder raus auf die Straße und bei einem Schild in den Wald abgebogen. Kurz danach kam ein alter Bauernhof direkt am See. Nach kurzem Fragen am Haus konnte ich den Bully hinterm Gemüsegarten parken, da stand noch ein Camper, sollte nur nicht so knapp an die Hecke fahren, da kommen ab und zu Leute zum zelten. Zackdiflack, bin also hinter den Gartenzaun gestaucht, direkt an eine Sandsteinmauer die das Grundstück zur Seeseite hin abstützt, hab also fast so was wie einen Balkon mit Seeblick an der Schiebetür. Für 4 Euro hat mich der Chef dann auch noch mit einem Verlängerungskabel und 220V versorgt, ich konnte Gas sparen und den Kühlschrank mal wieder komplett runterkühlen, nebenbei hab ich wieder 100% auf beiden Batterien. Die Nachbarn sind dann auch ganz fähig, bin beim nachmittäglichen „Blick über den See schweifen lassen“ rüber geschlendert und hab mich dazugestellt und eine Runde Smalltalk gehalten. Der Kerl war schon überall, von VW-Bus - Saharadurchquerung bis Leningrad anno `93 hat er schon alles gesehen. Hat mir dann noch paar gute Infos zu den Lofoten und drum rum gegeben.
Klima hat sich dann auch geändert, Nordmannsmäßig, kantige 11° und steife Brise zwingen mich zum ersten mal in den Parka und unter die Mütze. Hätte auch schon viel früher damit gerechnet, dachte schon ich müsste mich noch bis kurz vorm Eismeer kaputt schwitzen. Der See hat schlappe 10° und ist jetzt, im Juni, schon ganze 2 Wochen eisfrei. Kurz nachdem ich diese Tatsachen vom Nachbarn erfahren habe ist dann der durchgeknallte Finnenwirt aus seiner Sauna gestürzt und hat sich in die Fluten geschmissen. Ich hab den Parka noch ein Stück höher gezogen und überlegt ob ich Handschuhe dabei habe.

28.6.05
Lange nichts erzählt, viel passiert....
Bin mittags nach aufräumen und verstauen des ganzen Mobiliars in Richtung norwegische Grenze aufgebrochen, passieren war ohne irgendwas, nicht mal ein Posten an der Schranke. Die erste Örtlichkeit hieß dann Karasjok, rechts durch den Kreisverkehr war das Nordkap dann ausgeschildert. Weiter vorne an der Kreuzung stand ein Anhalterpärchen mit Schild „Nordkapp“, ich bekam seit fast 2 Wochen Alleinigkeit endlich wieder Gesellschaft! Rucksack hinten rein geworfen, kurz den Beifahrerraum von Schutt und allgemeinem Chaos befreit, seit dem sind wir zu dritt unterwegs. Die 2 sind aus Litauen, schwer in Ordnung wie mir scheint und über die gegenseitigen Vorteile der Fortsetzung des Trips zu dritt auf unbestimmte Zeit genauso erfreut wie ich. Meinereiner hat jemanden zum Quatschen, die 2 Balten jemanden der fährt. Gegen Abend wurde dann die Prophezeiung des Campnachbarn am Inariisee war: „Kap ist schweineteuer!“. 238 Kr komplett, nur für den Tunnel. Tadas und Ruta haben was dazu geschmissen, trotzdem Wucher. Die Röhre war dann gute 7 km lang mit 9 % Steigung, erst abwärts, dann aufwärts, eine Wucht für die Dieselmaschine im Heck. Dann noch gute 30 km quer durch absolut karge Landschaft, nur Felsen, verdorrte Wiesen, kein Busch, von Bäumen ganz zu schweigen. Und vereinzelt sogar Schnee....Dann wieder eine Schranke, 190 Kr für mich, 105 für die Studenten. Zwar verhältnismäßig teuer, aber man will eben hin, einmal, dann ist der Punkt abgehakt und der Preis vergessen. Kap selbst war dann aber dennoch schwer beeindruckend, 71° 10' 21'', der nördlichste Punkt Europas. Der Wind hätte uns fast vom Felsen geblasen, die Norweger haben aber durch stabilen Zaun einen Absturz ins Eismeer zu verhindern gewusst. Ruta hat dann noch das obligatorischen „I was here“ auf den Sockel des überdimensionalen Globus auf der Klippe gesetzt, und ich konnte es mir auch nicht verkneifen mich dort durch Edding zu verewigen. Anschließend dann durchs Nordkap Center geschlendert und den göttlichen Blick von der Kings View übers Eismeer genossen, Wind war da dann nicht mehr so herb und wir sind über Schwelgen, Philosophieren und euphorischem Erzählen der Zeit völlig abhanden gekommen.
Später wurde dann beschlossen „Haben wir gesehen, ziehen wir weiter“. Hätten zwar rein theoretisch 2 Tage stehen bleiben können, war aber nicht besonders einladend, und der Wind hätte mir mit Sicherheit das Hochdach zerlegt. Streckentechnisch hieß es jetzt seit langem mal wieder „Süd“, wir wollten vor der Nacht noch paar KM machen, zumindest bis es wieder Bäume gibt. Rückwärts hieß es dann wieder 238 Kr. Für den Tunnel berappen, normal. Gegen 10 waren wir dann irgendwo bei Alta, der Tag hing mir in den Knochen und die Stimmung schrie nach mehreren Bieren. Auf einem Parkplatz mit Wald und Fjord wurde dann das Nachtlager aufgeschlagen, Ruta hat eine Suppe kredenzt und wir sind am Wasser und auf der Bank bis sehr Spät im Palaver versackt, schwer einzuschätzen wie lange bei 24 Std. ohne Sonnenuntergang.

Am 27. des aktuellen Monats wurden wir dann unsanft von einem deutschen Pauschalreisebus geweckt, ca. 800 Leute kamen rausgewackelt und haben lautstark pausiert, nebenbei ist der Motor weiter gelaufen, Klimaautomatik soll ja auch bloß kein Grad wärmer werden. Wurde dann erst mal vernünftig Kaffee gekocht, und die Route für den Tag geplant, welche dann bis kurz vor Narvik laufen sollte. Irgendwo da sollte laut Karte ein größerer Berg vertreten sein, auf welchen wir uns dann noch begeben wollten um dort über dem Ort zu übernachten. Am nächsten Tag hatte würde es dann wieder einsam weitergehen, Tadas und Ruta wollten direkt nach Süden weiter, ich über die Lofoten und Vesterålen .
So in der Art wurde dann auch verfahren, gestoppt wurde an der ersten Tanke zwecks allgemeiner Waschung, Geschirrspülen, Kartenmaterial erweitern – und tanken. Die Gratiskarte von Shell-Norge ist gar nicht mal übel, zwar gewöhnungsbedürftig, aber detaillierter als der allgemeine Europaatlas von 99 in meinem Gepäck. Bis Narvik sind gute 500 km zu machen, was laut meinen bisherigen Erfahrungen an einem Tag zu schaffen ist. Noch dazu wenn es nicht dunkel wird. Zwischendurch noch ein Stop eingelegt und was aus Monas Überlebenskiste gebraten, anschließend mit vollem Magen und der Anlage auf fast Anschlag weiter gen Süden um die Fjorde gekurvt, Serpentinen und Brücken passiert und einfach nur die karge Landschaft des Nordens genossen. Den Copilotsposten hat nach der Pause dann Ruta eingenommen, Tadas hat sich für eine Verdauungspause auf die Pritsche neben das Boot gestreckt. Nach 9 irgendwann sind wir in Narvik eingetroffen, den Aufstiegspunkt zum Berg haben wir auch nach 3 mal wenden und noch mal schauen nicht gefunden. An der Tankstelle gab’s dann die Info dass der Weg nicht ausgeschildert, aber auch nicht schwer zu finden ist. Fehlanzeige. Wir finden ihn trotz aller Hilfe nicht. Sind dann einfach mit dem Bus so weit wie möglich raufgefahren, auf einen Parkplatz von einem Wasserkraftwerk oder Ähnlichem, jedenfalls gut auf halber Höhe unter dem Gipfel mit Wahnsinnsblick auf Narvik, Küste und Umgebung. Dach aufgeklappt, Kocher an, Tee und Essen drauf, dann wieder die halbe Nacht über die Welt und ihre Götter philosophiert. Später hab ich mich dann mit Terry Pratchett und meinem Schlafsack ins Dach verzogen und die erste Nacht, von der ich behaupten muss dass ich wirklich beschissen geschlafen hab, verbracht. Das alte Leid mit Schwindelgefühl nach dem aufwachen, das mich vor Jahren schon mal geplagt hat, ist wieder da. Ich hoffe es mit irgendwas wegzubekommen und schiebe es erst mal auf die Tatsache dass ich mit dem Kopf bergab geschlafen hab.
Nach und nach dann wieder startklar geworden und noch mal bei der Tankstelle vorbeigeschaut, Tadas, Ruta, Tobi und den Topf gespült, dann Vorbereitungen für den Aufbruch von den beiden treffen. Was nicht sehr viel Aufwand bedeutete, Rucksack stopfen und Bestand checken. Doch dann die Erkenntnis die normalerweise die Welt verändern müsste: Irgendwo im Bus ist ein Schwarzes Loch(Theorie Tadas & Tobi). Hat bereits seinen Mp3-Player und einen meiner Stiefel gefressen....beides unauffindbar verschwunden. Auch ein 2ter Stop und ausgiebiges Suchen beim Nachtlager brachte die Sachen nicht wieder. Dumm gelaufen, wahrscheinlich beim Kochstop am Pistenrand rausgefallen. Passiert, Kollateralschaden.
Da man vom Stadtzentrum aus schlecht per Anhalter weiter kommt hab ich die 2 noch aus Narvik raus an die Hauptverkehrsstraße gebracht, kurze Abschiedszeremonie und den obligatorischen „wenn du in der Gegend bist, komm vorbei“ - Gruß getauscht (Die Beiden waren die ersten die das auch genutzt haben, paar Wochen später auf ihrem Trip heimwärts von Spanien, Anm. d. Red.), dann war jeder wieder seinem eigenen Schicksal überlassen.
Von dort aus dann zurück durch die Stadt zu der Abzweigung auf die Lofoten, von wo man laut Karte auch auf die Vesterålen kommt. Die Gegend wird immer bergiger, schroffe Felswände und Klippen kriechen langsam aus dem Meer und den flachen Hügeln die sonst in dieser Region vorherrschend waren. Erster Stop war dann Sortland, ein kleines Nest am Fuß der Inselgruppe, für einen Supermarkt hat es gerade so gereicht und ich kann die Vorräte aufstocken. Irgendwo hab ich mir dann einen Nachtplatz gesucht, bis Stø, das Etappenziel für die nächsten Tage, sind es nur noch paar Km. Zu der Gegend auf den Inseln ist eigentlich nur eines zu sagen: Der Wahnsinn in Dosen! Inseln aus ewig hohen Berggipfeln, bis zum Horizont nur Felsmassiv dazwischen das Wasser des Polarmeers. Ab und zu mal eine vereinzelte Wiese, dann wieder Wasserfälle und Sturzbächen neben der Straße, welche kaum eine Spur breit ist und sich in die Kulisse zwängen wie eine Schlange die sich durchs Unterholz schiebt.

1.Juli 2005
Habe mich in Stø auf einem Platz an der Landzunge nach dem Dorf niedergelassen und beschlossen hier mal wieder für unbestimmte Zeit zu bleiben, die KM der letzten Tage stecken mir noch in den Knochen und die Schwindelanfälle kommen auch noch manchmal unverhofft. Also erst mal eine Runde ruhig machen. Das Dorf ist in etwa so groß wie Schwaighausen, 2 Kais mit mehr Booten als Häusern in der Siedlung, also so ca. 12. Mehr braucht es auch nicht. Gegen Mittag wurde dann die Info vom Inarinachbar über den Kerl der hier ab und zu Touristen auf seinem Boot mit nimmt um Wale zu beobachten. War nicht sehr schwer zu finden, hatte ein Haus direkt an der Straße, außen hing ein "Wale Watching-Schild. Also rein, eine Runde gequatscht, festgestellt das unsere Nationalitäten die gleichen sind und so die Konversation auf heimatlichen Standard gesetzt. Ergebnis: Er nimmt mich für einen Tag lang zusammen mit noch paar anderen die dort zu tun haben mit in die Walgründe, Beteiligung am Diesel usw. beläuft sich dann so ungefähr auf 80€, völlig OK. Warme Klamotten und Lunchpaket sind zu empfehlen, Seeklima wird eher rau sein. Anschließend dann noch die Küche vernünftig eingesaut und den Abwasch verschoben, dann die Bücherkiste und den Schlafsack beehrt.

Tags darauf dann durch den Wecker aufgewacht, um 10 sollte ich bei Andreas sein, um 11 wurde in See gestochen. Vorher wurde ich noch kurz über die Leonora geführt und bekam eine Pille gegen Seekrankheit verabreicht, dann wurden die Maschinen hochgefahren und wir machten uns mit paar Knoten auf den Weg aufs offene Meer. Auf der vorgelagerten Leuchtturminsel wimmelte es dann nur so von Papageientauchern und Seehunden, die bei gut erwischten Wetter in der Sonne saßen oder sich in den Himmel über dem Nordmeer schwangen und dabei eine Geräuschkulisse abgaben die einem Stau im Berufsverkehr am Plärrer gleich kommt. Der Seegang war anständig, die Pille half bestens, falls ich sie gebraucht habe, Seekrankheit war eigentlich nie ein Thema, wurde aber trotzdem von der Mannschaft empfohlen. Jedenfalls hieß es erst mal 2 Std. raus in tiefere Gewässer. Zwischendurch gab's ein paar Zwergwale die ich aber nicht entdecken konnte, sind mit 8m zu klein und schnell für einen 30m Kahn wie das Ex-Küstenwachschiff mit dem wir unterwegs waren. Am Nachmittag rief Andreas dann zum ersten mal von der Brücke rüber zu mir "Pottwal Backbord!", der Käptn ließ beidrehen und in angemessenem Abstand folgen. 70 Tonnen Fleisch die durchs Wasser ziehen, mit einer Flosse so groß dass ich mit dem Bus drauf parken könnte in die Tiefe stoßen und mehrere 1000 m unter dem Meeresspiegel auf Beutezug gehen. Ein paar mal konnten wir ihn dann noch erhaschen, dann hat er sich wieder auf einen Tauchgang verabschiedet, der schon mal 90 min. dauern kann. Danach kommen sie für ungefähr 10 Minuten wieder an die Oberfläche um Luft zu holen, wobei wir sie dann beobachten könnten. Die Prozedur wurde den ganzen Tag über fortgeführt, wobei mir auch in den Zeiten ohne Walkontakt nicht langweilig wurde. Die Meeresbiologin aus Spanien, die an Bord Studien und Messungen durchführte, hat mir zwischendurch immer wieder interessante Details über die Gewohnheiten der Wale und Eigenschaften der restlichen Unterwasserwelt vermittelt. Falls sie gerade nichts zu tun hatte. Später konnten wir dann auch noch ganze Kolonnen von mehreren Bullen beobachten, leider nicht für sehr lange. Als Zwischenstärkung gab es dann noch eine vernünftig scharfe Fischsuppe aus der Bordkombüse, dann wurde schon der nächste Wal durch Andreas oder den Kapitän, der übrigens aussah wie die Definition des nordischen Seebären, angekündigt. Der Ganze Tag war auf jeden Fall schwer beeindruckend, ein Erlebnis das mir dank Andreas und der Crew der Leonora absolut unvergesslich bleiben wird.
Gegen 8 waren wir wieder an der Mole und ich habe festgestellt dass ich nicht der Einzige deutsche Tourist an Bord war, Matthias und Ingrid kommen neben mir die Planke runter. Zufällig stehen sie dann sogar neben mir auf dem Platz, ein Gefährt wie man es selten zu Gesicht bekommt, ein selbst gebauter Wohnwagen, komplett mit allem Drum und Dran, aber nicht größer als ein normaler Kombi-Anhänger. Sehr interessante Konstruktion, außerdem sind die 2 sind auf dem selben Trip wie ich, nur Rückwärts, wollen übers Kap nach Finnland und aufs Baltikum, dort dann eine Zeit lang arbeiten, dann wieder heim. Der Gesprächsstoff für die nächste Zeit scheint gesichert zu sein....

2. Juli
Bin gestern dann doch noch einen Tag in Stø geblieben, hab über Nachmittag einige Informationen mit Matthias und Ingrid ausgetauscht, hab den längst fälligen Berg Geschirr von seiner Kruste befreit, wobei bei einigen der Einsatz einer Flex sinnvoll gewesen wäre. Außerdem hab ich mich mal wieder auf die faule Haut gelegt, nebenbei paar Veltins gegönnt und angefangen die Küste zu scribbeln.
Heute Vormittag bin ich dann die Küste weiter runter nach Nyksund gefahren, ein Fischerdorf, das in den 70er Jahren verlassen wurde weil der U-förmige Kai dann irgendwann doch zu klein war. In den 80ern wurde das ganze dann von ein paar Aussteigern entdeckt und wird seitdem langsam wieder besiedelt, von Leuten rund um den Planeten. Großteils immer noch Geisterstadt, jedes zweite Haus eine verfallene Ruine, die Straße von Myre nicht geteert. Die Häuser die schon erneuernde Baumaßnahmen erfahren haben sind keine neuen Prunkbauten in Glas und Stahlbeton sondern traditionell-rustikal gehalten um den Charakter von Nyksund so wiederzugeben wie er jeher Bestand gehabt hat. Es gibt nur eine Ecke vor dem Ort zu parken, ein Platz der sich zwischen Straße, Damm, Berg und Dorf zwickt, alles andere wird von Wasser und Fels eingenommen. Außer einem alten LT und einem weißen Großcamper steht niemand da, was schon mal gut aussieht. Ich stell mich in die Ecke gegenüber, hol den Erntedankstuhl raus und hör dem Kerl der den LT bewohnt beim Gitarre spielen zu, was ich momentan noch stundenlang vertragen könnte. Irgendwann hab ich dann beschlossen noch ein spätes Frühstück einzuschieben und mich anschließend noch eine Runde in die Koje gelegt. Später hab ich dann festgestellt dass inzwischen etwa 20 klassisch weiße Renterwohnmobile auf dem Platz eingefallen sind und mich eingekesselt haben wie ein Rudel Wölfe einen Hasen. Logische Schlussfolgerung war dann den Trubel erst mal abflachen zu lassen und erst abends ins Dorf zu gehen. Den Nachmittag hab ich dann in der Steilküste am Meer verbracht und versucht den angrenzenden Berg zu besteigen, dabei aber leider feststellen müssen dass die Kondition mal absolut im Arsch ist und die Mücken verdammt nervig sind, was zum frühzeitigen Abbruch des so ehrgeizig angefangenen Projekts führte. Im Bus dann noch eine gemütliche runde gedöst und gegen Abend ins Dorf gezogen. Und wer kommt mir auf dem Damm entgegen? Ingrid und Matthias, die Nachbarn aus Stø. Sind in der vorherigen Nacht noch hier her gewandert und haben dann morgens beschlossen auch hier her überzusiedeln, das Gespann steht etwas den Weg in Richtung Küste hoch hinter einem Felsen, wo nun auch der gelbe LT steht, wie man mir sagt. Wurde sofort noch ein Palaver für den Abend vereinbart.
Nyksund selbst ist vom Flair her eines der schönsten Orte überhaupt auf diesem Trip, sehr geile Architektur, nur die versprochene Geisterstadt mit Freaktown-Ambiente hat zum Großteil gefehlt, es wird überall renoviert und verkommerzialisiert. Trotzdem aber ein ganz angenehmer Ort, wenn ich die vorausgehenden Erwartungen nicht gehabt hätte wäre ich absolut begeistert gewesen. So musste ich die Schönheit und den angenehmen Eindruck der Stadt erst langsam aufbauen und die kleine Enttäuschung durch andere Entdeckungen egalisieren.
Danach bin ich dann hoch zu den Anderen, hab den Mann an der Gitarre als Hans den Holländer kennen gelernt und nach einer Stunde beschlossen auch umzuparken und noch eine Zeit lang zu bleiben. Die Nacht wurde dann Dank wahnsinniger Mitternachtssonne und einem unvergesslichen Panorama zur Ewigkeit, Hunger und Durst wurden gestillt und nach dem Essen wurden riesige Zeitspannen damit zugebracht aufs Meer zu starren und der Reinkarnation von John Lee Hooker und Jimi Hendrix in einer Person neben mir beim Erzeugen von feinstem Gitarrensound zu lauschen.

Am heutigen Sonntag, dem 3. Juli, wurde dann mal wieder relaxed, Wäsche gemacht, stundenlang gelabert und Erfahrungen ausgetauscht, wobei Rumänien als Reiseland einen extremen Aufstieg in der Liste der nächsten potentiellen Reiseziele verzeichnen konnte. Ingrid uns Matthias sind per Motorrad schon durchs komplette Land gefahren und haben nur Gutes zu berichten, von Land, Volk und Kultur sehr verlockend und nebenbei auch noch nicht sehr weit weg von der Heimat, was keine größeren Zeitplanungen voraussetzt. Hans und ich haben dann irgendwann noch unter Einsatz der beide fahrbaren Küchen was aus Eiern, Reis und Gemüse gebraten und mit einer Packung Nasi-Goreng getarnt und weiter gelabert, über Kultur und Tradition bis Musik und Exzesse....Bis dann irgendwann wieder in die Kojen gekrochen wurde, Zeit unbekannt, bei 24 Std. Sonne verliert man jegliches Zeitgefühl, man geht ins Bett wenn man müde ist, isst wenn man Hunger hat, alles Andere wird ebenso erledigt wenn das Bedürfnis besteht. Eigentlich sollte so der Normalzustand sein, doch irgendwie ist der Menschheit durch Vernormung und dem Versuch alles auf einen Nenner zu bringen der freie Wille abhanden gekommen. Man ertappt sich des öfteren dabei Dinge nur zu bestimmten, vordefinierten Zeiten zu verrichten und merkt es nicht einmal mehr....fahren sie in die Gegend nördlich des Polarkreis und verabschieden sie sich von der Zeit wie sie sie kennen.
Anmerkung: Hans war jahrelang Hochseesegler, Vollzeit. Hat viel erzählt. Ich mach Segelschein. Idee bestand schon lange, jetzt wurde ein Projekt daraus dass es baldest möglich in Angriff zu nehmen gilt.

5.7.05
Sitze hier gerade oben ohne in der sonne, es ist kurz nach 8 am Abend und ich warte auf die Fähre die mich nach einer knappen Woche Inselhopping wieder aufs Festland bringen soll. Hans hat sich gestern noch verabschiedet, ist für meine Verhältnisse doch sehr bald aufgebrochen, um kurz nach 10 Uhr morgens. Ich war noch am dösen, er hat die Tür mit Elan aufgerissen und nur rein gerufen: "Tobi! Ich breche auf! Bleib simpel! Gute Fahrt!", ich konnte ihm gerade noch ein paar Grußformeln entgegen nuscheln, war aber viel zu verspult um vernünftig zu reagieren. Irgendwann bin ich dann auch raus, es wurde wieder unerträglich warm im Bus, da mittags die Sonne doch gut Energie aufs Dach bringt. An der Quelle am Felsen die Wasservorräte aufgefrischt, dann widerwillig um das Zeug in der Spüle gekümmert, im Topf war eine Käsenudelschicht die von der Konsistenz her an voll ausgehärtete Glasfaserspachtel erinnert hat. Hätte man am besten einmal vorsprengen sollen. Nach einer guten halben Stunde war er dann aber doch wieder zu verwenden. Dann Startvorbereitungen, Alles fest verstauen und gegen Mittag Aufbruch in Richtung Lofoten. Die Gegend erscheint fast unwirklich, wie aus alten Erzählungen und klischeeerfüllend für jedes Märchen...riesige, schroffe Bergwelt, dazwischen tiefblaue Fjorde und das tosende Nordmeer, gekrönt von schneebedeckten Gipfeln....einerseits möchte man überall stehen bleiben um den Anblick so lange wie möglich auszukosten, anderseits möchte man weiter, da die Erfahrung uns gelehrt hat dass um die nächste Kurve ein neues, anderes, atemberaubendes Panorama wartet.
Um Proviant aufzunehmen und einen Uhrmacher zu konsultieren wurde Sortland nochmal auf die Route gesetzt, danach immer den Schildern nach Richtung "Å" gefahren, der südlichsten Ansammlung von Häusern auf der Inselgruppe. Das Wikingermuseum bei Borg war die einzige Sehenswürdigkeit neben der Landschaft die ich mitnehmen wollte und wo ich gegen Abend ankam und den Parkplatz direkt als Nachtlager auserkoren habe. Wetter ist seit Tagen absolut göttlich, ein Hoch so hoch wie der Eiffelturm, abends noch 25° und Sonne dick, ab 10 wirds meistens frisch und lange Klamotten sind ab da nicht mehr ganz so verkehrt, wobei ich immer noch nördlich vom Polarkreis unterwegs bin.

Inzwischen schreiben wir den 7. Juli und ich bin plündernd und brandschatzend in Schweden eingefallen. Plündernd im Supermarkt, brandschatzend in der Mosquitokolonie in der mithelfe von Anti-Insektenkerzen aufgeräumt wurde. Die Teile stammen noch aus Zeiten in denen der Bus jemand anderes gehörte, wurden mit dem Inventar übernommen und haben von ihrer verheerenden Wirkung nichts verloren. Von der Standardmücke bis zum Flugsaurier halten die so ziemlich alles ab.

Dienstag Vormittag bin ich dann aus dem Bus geklettert um der Hitze im Inneren zu entgehen. Der Parkplatz bietet ca. 0% Schatten, was durch 24 Std. Sonneneinstrahlung für Temperaturen im Bully sorgt die eine Standheizung überflüssig werden lassen. Nachdem ich dann noch eine Weile die brennende Mittagssonne um die 30° im Stuhl vorm Bus genossen habe, bin ich dann zum Museum auf den Hügel gestiegen und für 90 Kr haben sie mich dann aufs Gelände gelassen. Das Häuptlingshaus, das hier ausgegraben und restauriert wurde, ist das Herzstück der Anlage und thront wie eine Burg auf dem Hügel und duckt sich gleichzeitig wie ein Schiff in die Wellen, was optisch einen sehr beeindruckenden Effekt hat, und da spielen die 83 m Länge noch die kleinste Rolle. Die Form und der Baustil ist ähnlich wie bei den Stabskirchen die uns vor einiger Zeit im Süden des Landes fasziniert haben, alles erinnert schwer an die Form eine Boots, was nicht weiter verwunderlich ist, da die Nordmänner von diesem Handwerk schlicht und einfach am meisten verstanden haben. Der Innenraum ist unterteilt in den Schlaf und Arbeitsbereich mit Feuerstelle und Webstuhl, den Stall für bis zu 20 Stück Vieh und den für mich am eindrucksvollsten empfundenen Gildensaal, ein Bereich in dem die Häuptlinge zu Ratssitzungen zusammengekommen sind, überall mit alten Ornamenten, Fellen und Runen verziert. Weiter unten am Fluss war dann ein 1:1 Nachbau eines 23m langen Drachenbootes vertäut, wo das Original gefunden wurde hab ich leider vergessen, es steht jetzt in Oslo im Museum und schwimmt auf Grund von Moderschäden nach gut 1000 Jahren unter der Erde leider nicht mehr. Der Nachbau ist allerdings komplett seetauglich und liegt vor dem ebenfalls nach gebauten Bootshaus am Steg. Irgendwann kamen 2 Kerle in Wikingerkluft an, sprangen aufs Boot, brachten die Ruder in Stellung und verzurrten hier und da noch einiges als der eine schreit: "Hey, do you wanna join us for rowing?". Ja sehr geil, wollte schon immer mal auf so einem Kahn fahren, dacht ich mir und kletterte rüber. Der Kerl der mich eingeladen hatte meinte dann dass wir noch auf den Rest der Mannschaft warten müssten, der, wie sich dann raus stellte, auch aus Touristen wie mir rekrutiert wurde. Jeder machte 20Kr locker während der Steuermann am Ruder lauthals ein Nordmannslied nach dem anderen zum besten gab. Konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, da er den Eindruck erweckt hat dass der Wikinger in ihm noch gut ausgeprägt ist. Das Rudern hatte sich dann als schwerer entpuppt als es den Anschein hatte, der körperliche Part war noch zu schaffen, aber im Takt mit ca. 20 Anderen zu bleiben war nicht so leicht. Nach einer halben Stunde hatten wir dann eine Runde über den See gedreht, der Käptn hat noch paar nordische Shantys geschmettert und nebenbei noch einiges zum Boot und Kultur erklärt, dann mit Ruderspezialmnöver wieder anlegen und vertäuen. Hatte zwar gedacht wir würden etwas länger draußen bleiben, war aber trotzdem eine absolut abgefahrene Sache, wenn man bedenkt dass früher mit fast doppelt so langen Schiffen wochenlang über den Ozean gesegelt wurde. Im Museumsshop wurde dann noch bei einem Spiel, das das nordische Äquivalent zum Schach darstellt, zugeschlagen. Wurde hier oben vor über 1000 Jahren gespielt, hat sich aber in der südlichen Welt nie durchgesetzt, evtl. aus mangelnden zwischenkulturellen Beziehungen mit den anderen Völkern.
Nachmittags wurde dann der Aufbruch in die Wege geleitet, wollte heute evtl. noch die Berge und Täler der Lofoten hinter mir lassen, so schön sie auch sind. War dann auch kein Akt, 2 Std. später bin ich die letzte der zig atemberaubend derben Steilküstenstraßen und Schwungbrücken nach Moskenes runter geschossen und direkt zum Fährhafen abgebogen. Nächstmögliche Überfahrt nach Bodø war um 10, also noch genügend Zeit etwas zu kredenzen um das Leeregefühl im Magen zu beruhigen und die Beine zu entspannen. Nach dem boarden dann einen Deutschen aus der Schlange wieder getroffen, und wie es der Zufall will, ein Franke. An Deck bot sich uns dann noch ein exorbitanter Abschluss der Lofotenetappe: Die Sonne stand genau hinter den Bergen und tauchte die ganze Szenerie in oranges Licht, man sah nur die Schemen der Gipfel am Horizont, die Küste brandete gegen die Felsen während wir uns langsam in Richtung Festland entfernten bis die Sonne ganz verschwunden war und nur noch Schwarze Ränder auf das vorhandensein von Inseln im Hintergrund schließen ließ. Als der Bus in Bodø dann wieder Festland unter der Achse hatte bin ich nur noch aus der Stadt raus, hab eine Straße weg von der Hauptroute genommen und die Nacht auf dem erstbesten Waldplatz verbracht.

Morgens waren dann mal wieder schweißtreibende Temperaturen gegeben, worauf beschlossen wurde den Tag in der Stadt zu verbummeln und einige Örtlichkeiten wie Post, Buchladen und evtl. Internet zu beehren. Buchladen zwecks Lesestoff wurde zufällig gefunden, und zwar genau meine Kragenweite, An & Verkauf, nur Gebrauchte, auch deutsches und vernünftige Preise. Ein Hesse und ein Seefahrerroman der vom Backprint her nicht verkehrt klingt sollten es dann sein, die langen Nächte waren vor Langeweile erst mal sicher. Nebenbei muss ich hier mal erwähnen: Das Internet würde ich nicht so oft benötigen, wenn das allzeit beliebte Arbeitsamt ihrer Bürokratie endlich mächtig werden würde. Post war dann aber das wenigste, obligatorische Karten waren bereits versandfertig und bedurften nur noch einer schwungvollen Bewegung gegen den Einwurfschacht am Briefkasten. War dann nach Umsonstinternet in der örtlichen Bibliothek und ganz entspanntem rumsitzen in den Straßencafés doch schon wieder später Nachmittag als ich aus der Stadt raus kam und in die Straße nach Mo i Rana eingebogen bin. Sind noch 180 km, aber reine Gebirgsstrecke, was Panorama und interessantes Streckenklima verspricht. Nur wollten die 180 absolut nicht auf die Uhr. Beim Schild "Mo i Rana 112" wurde dann ein gut im Wald gelegener Holzplatz gesichtet der Schatten für den nächsten Morgen versprach und ein ganzes Stück weg von der Straße gelegen war.

Heute ging es dann gut erholt, nach einem nicht durch Affenhitze vom Schlaf abgehaltenen Morgen, wieder gegen Mittag aus der Kiste, Kaffee kochen, dann los. In Mo i Rana gabs dann nicht viel zu sehen, deswegen wurde gleich weiter auf die E12 in Richtung Reichsgrenze gelenkt und eine Stunde später war ich in Schweden. Halleluja, wieder ein Land abgehakt! Bin dann aus dem Hochgebirge runter ins Landesinnere bis Storuman gefahren, dann nach Süden abgebogen und mal wieder ein gutes Stück unterhalb der Stadt auf einem stillgelegten Holzarbeiterplatz Stellung bezogen. Die Moskitos halten sich dank Flipvater Karls Räucherschnecken in Grenzen, außerdem leistet mir eine sehr zutrauliche Hornisse Gesellschaft und kümmert sich mit Begeisterung um die nervigen Kumpels.

8.7.05
Der Tag war ganz gut rumzubringen, bin gegen Mittag gestartet, und hatte eigentlich vor ein paar der prähistorischen Stätten, die auf meiner frisch erstandenen Schwedenkarte verzeichnet sind, zu besuchen, wurde aber leider nichts daraus, eine habe ich nicht gefunden, die andere liegt, laut Einheimischen, soweit im Wald dass man einen Ortskundigen mitnehmen sollte, worauf ich heute aber irgendwie überhaupt keine Lust hatte. Die Straße gen Süden, auf der ich seit gestern unterwegs bin, wird immer eintöniger, weshalb ich wieder auf Nebenstraßen Richtung Westen und Bergwelt ausweiche. Wie immer, die beste Möglichkeit was zu sehen, wenig Verkehr und astreine Plätze für die Nacht. Nur Vorwärtskommen ist hier schwieriger, was aber absolut zweitrangig ist momentan. Hab noch gut eine Woche bis die Verstärkung durch Oddie in Stockholm eintrifft und es sind nur noch 600km bis in die Hauptstadt.
Hab dann spontan beschlossen schon um 4 bei Föllin auf einem Platz am Fluss zu bleiben, hab beim Überqueren desjenigen die Ecke entdeckt und mich da bequem breit machen können. Der ausschlaggebende Punkt für die frühzeitige Feierabendmachung vom Fahren war das sauherrliche Wetter mit satten 27° bei fast wolkenlosem Himmel. Bin dann erst mal eine Runde schwimmen gegangen um abzukühlen um dann den Nachmittag faul in der Sonne zu verbringen. So nebenbei hab ich dann gestern den Polarkreis wieder in südlicher Richtung überquert, was bedeutet dass die Nächte wieder länger und die Tage wieder wärmer werden.

10.7.05
Bin gestern dann doch noch einen Tag länger am Fluss geblieben, die Gegend ist angenehm, Wetter herrlich, warum weiter suchen wenns in der gegenwärtigen Ecke doch passt? Nebenbei sind noch ein Deutscher und ein Schweizer aufgetaucht, ausgerüstet mit Boot und Angeln, was sie in den Gewässern zum Einsatz zu bringen erhofften. Nachmittags hab ich dann den schweizer Hund quer durchs Gelände gehetzt, bis er dann irgendwann selbst keinen Bock mehr hatte irgendwelchen Stöcken hinterher zu springen. Danach musste ich mir selbst nochmal in den Fluten des Flusses Kühlung verschaffen, anschließend hab ich dann das Feuer fürs Essen übernommen zu dem ich eingeladen wurde. Und beschlossen dass ich auch eine solche Gusspfanne brauche. Wenn es sein muss schmiede ich selbst eine, aber sowas kommt ins Equipment. Rolf, der Kerl aus dem Bergland, hat dann noch einen vernünftigen Zwetschgenschnaps ausgepackt, der der Verdauung ganz gut getan hat. Sicherheitshalber wurden dann noch einige mehr konsumiert. Der abschließende Kaffee war zwar schon nach meinem Geschmack, schwarz wie Kohle, dafür konnte ich bis 4 nicht vernünftig pennen.

Heute früh hab ich dann festgestellt dass die Moskitos wieder aggressiver wurde, was auf Gegenreaktion meinerseits raus lief und etliche insektoide Vampire einen schnellen Tod starben. Dann kam mir irgendwann der Gedanke, ein Hoch auf den Gott der Erinnerung, dass ich irgendwo ein Fliegengitter für die Busschiebetür besitze....
Meine 2 Kumpanen sind wieder zum Fischen raus gefahren und versuchen mit einem hochspeziellen Gepampel aus Schnur, Haken, Blinker und Köder die dicken Seeforellen den Weg in die Pfanne zu erleichtern. Rolf hat aber doch nur einen 90cm Hecht erwischt, mehr erwürgt als geangelt, hat sich selbst in der Schnur verwickelt, das selten blöde Vieh. Da die beiden schon genügend Hecht in der Kühltruhe liegen hatten hab ich jetzt 2 Filets im Kühlschrank, welche ich heute Abend unbedingt mal wegbraten muss. Es ist übrigens schon der 11.. Nach einer anständigen Mahlzeit und ein paar brandheißen Tipps bin ich dann aufgebrochen und hab mir noch eine von den prähistorischen Stätten Namens "Hällristningar" auf der Karte vorgenommen. Liegt nur 20 km weiter und klang sehr vielversprechend, die Strecke war mal wieder optisch bestens, viel Wald und Schotterpiste, die hier liebevoll Naturstraßen genannt werden. Handelte sich dann um Felszeichnungen aus der Steinzeit, Elche und Jagdszenen mit Keilen in den Fels geschlagen, wahrscheinlich bis zu 6000 Jahre alt. Die Felsen liegen alle im oder am Fluss, es ist kein Mensch weit und breit, und es bedurfte einer kleinen Wanderung bis man die gesuchte Stelle entdeckt. Genau das wonach mir der Sinn stand und ideal um den Nachmittag zu verbringen. Von da bin ich dann weiter über Seiten und Nebenstraßen bis nach Östersund, wo ich die Nacht mal wieder abseits von allem Trubel auf einem Parkplatz vor irgendeinem Heimatmuseum verbracht habe.

Wir schreiben inzwischen den 13. Juli und ich bin bis über Örebrö raus gekommen in den letzten 2 Tagen und stehe nun, nach 10 km wahnsinniger Kaffstraße und schmalen Alleen gefolgt von 3 km Feldweg auf einem Wendeplatz im Wald, ein gutes Stück vor einem Bauernhof, der das Ende der Piste darstellt. Das letzte auf der Karte verzeichnete Dorf hieß Göksholm und ist eigentlich ganz urig, einige alte Bauernhöfe, Wiesen mit Vieh zwischen aufgeschichteten Steinmauern und freundlich grüßende Leute. Dachte ich könnte hier einen ruhigen Tag und eine schattige Nacht einlegen, musst dann aber feststellen dass die Schweden vom Lande von verdammt neugieriger Natur sind: In der letzten Stunde sind 3 Autos vorbeigefahren, haben angehalten, geglotzt als wäre der Bus das Spaceshuttle und ich John Watts Young persönlich, und dann weiter gefahren um dann am Bauernhof zu wenden, zurückzukommen und wieder zu gaffen was ich hier wohl treib. 2 haben sogar sehr umständlich längseits neben mir in die Parkbucht gestaucht um einen Blick durch die offene Schiebetür auf meine Füße werfen zu können. Welch mysteriöses Nordfolk....

Entgegen allen kalendarischen Normen und Regeln folgt nun die Darstellung der letzten Tage:

Bin am 11. auf vorher beschriebenem Waldparkplatz vor dem Haus eines mir nichts sagenden Komponisten aufgewacht und nach Östersund aufgebrochen um da paar organisatorische Dinge aus der Welt zu schaffen und in der Bibliothek eine FAZ illegal zu entwenden. Gegen Nachmittag hab ich dann beschlossen nach Mora weiter zu ziehen, die Ecke dort um den Siljansee soll eine der gar herrlichsten Flecken Schwedens sein, dazu gibt's noch ein abgelegenes Wikingergräberfeld, laut der hoch zu lobenden Karte, die ihren Preis von 110 Kr schon 1000-fach verdient hat. Die 300 km bis dahin laufen dank boxenstrapazierender Musik und Lautstärke ohne weiteres runter. Mora ist eine relativ ruhige Kleinstadt die von Touristen meist nur im Winter stärker besetzt wird. Die Grabstätten liegen auf einer Insel bei Sollarön, werden aber auf Morgen vertagt, mir gelüstet es nach dem Hecht im Kühlschrank, spontane Rezeptgestaltung. Zwiebeln, Gewürze alles Art, alles in die Pfanne, mit Brot und Majo serviert, "Hecht a la Tobersen". Danach dann Verdauungs- und Inspektionsspaziergang bei der Mühle, auf deren Parkplatz ich mich niedergelassen hab. War kein Schwein da, aber die Gegend ist ganz nett. Auf dem Rückweg dann noch 2 schwedischen Mädels getroffen, ein "Heyy" von beiden Seiten, dann zurück zum Basislager, wo ich festgestellt habe dass es hier in den südlichen Breiten langsam wieder anfängt zu dämmern. Der Sonnenuntergang war gigantisch, glutroter Himmel läuft wie zähflüssige Farbe über einen Hintergrund aus blau und gelb, derbester Wald und Wasser davor. Eine bessere Kulisse für die Wikingergräber geht effekttechnisch nicht, weshalb sofort die Zelt abgebrochen wurden und mit Vollgas zurück nach Sollarön. Die Bilder sind dank der ganzen mir nicht verständlichen Hebel und Knöpfe an Svens Kamera echt ganz gut geworden.
Da ich jetzt wieder 100% wach war durch die Aktion wurde das Mühlencamp links liegen gelassen, die Musik noch 2 mal lauter gedreht und noch ein gutes Stück weiter geleiert. An einem Seeufer, an dem schon ein Zelt und ein Wohnwagen standen, gabs dann auch noch eine Ecke für mich.

Am 12. wurde ich dann, wie ichs mir fast gedacht habe, von der Sonne um 8 geweckt, die Hitze im Bus war mal wieder tierisch da ich zu faul war für eine Nacht die Isospiegel in die Scheiben zu bauen. Erst mal Tass Kaff. Und wer krabbelt da aus dem Zelt und schlendert zu dem Skoda mit deutschem Blech der neben mir steht? Die 2 vermeintlichen Schwedinnen von der Mühle, welche sich als Franzi und Claudia entpuppt haben, zwei Abiturientinnen aus dem Erzgebirge. Nach Palaver beim Frühstück hab ich mich dann doch mal wieder im Beifahrerspiegel rasiert und das Geschirr von den Fisch&Zwiebel-Brandspuren befreit. Die Mädels haben sich kurz in die Fluten geworfen und mich dann gefragt ob ich Bock hätte mit auf eine Wandertour zu einem Berghof auf dem noch Brot und Käse selbst gebraten werden zu kommen. Bewegung hatte ich bitter nötig, Gesellschaft ist immer willkommen, die 2 scheinen ganz in Ordnung zu sein, was besseres hätte FAST nicht passieren können. Treffpunkt Touristeninfo in Mora eine Stunde später, zwecks Karte von der Gegend. Gegen 2 hatten wir dann auch eine Ecke gefunden wo wir parken konnten und mit den 10 km Aufstieg begonnen. Die Strecke war gut ausgebaut, großteils geschotterte Piste im Wald, 2 Stunden später waren wir oben. Eine fast komplett autarke Alm in den schwedischen Bergen, Holzhäuser und Scheunen wie aus dem Bilderbuch. Eine Kuh die eiskaltes Beck's gibt, wie die beiden hofften, gab's dann zwar nicht, das hausgemachte Brot, Butter und der echt frische Frischkäse war's dann aber trotzdem wert. Auf dem Weg ins Tal wurden dann wieder mal Reiseanekdoten ausgetauscht, gegenseitiges anheizen: die Mädels würden jetzt sofort nach Südamerika fliegen, ich könnt am nächsten Gewässer mein Boot zusammenfalten und bis nach Stockholm paddeln. Beides leider leicht problematisch durchzuführen, aber "Schau mer mal", wie der Kaiser sagt. Abends wieder an den Vehikeln war dann das kurze Gastspiel der beiden schon wieder vorbei, wollten weiter über Borlänge an die Küste, ich nach Örebro und in die Hauptstadt. Irgendwo südlich der Ecke auf einem Rastplatz hab ich dann endlich meine Beine aufs Bett bewegt, die 20km waren eine ganz anständige Strecke.

14.07.05
Joah, gestern war nicht sonderlich die Hölle los, bin bis Örebro gefahren, den größten Teil über wahnsinnig schöne Kaff- und Naturstraßen, doppelt praktisch, da ich eine Ladung Wäsche in den Eimer gepackt hab, Wasser, Rei in der Tube, eine Hand voll Steine und Deckel drauf. Das ganze wird auf meinen favorisierten Straßen gut geschüttelt und so gewaschen. Nach 200 km einmal Wasser wechseln für den Spülgang.
Örebro selbst ist eigentlich eine ganz angenehme Stadt, relativ relaxed, bin den Nachmittag über durch den Ort geschlendert, hab in der Bibliothek mal wieder I-Net schmarotzt, Nachricht von Oddie wann und ob er ankommt war dann aber immer noch nicht da. Hab dann auf der Karte eine Ecke auf der anderen Seite vom See gefunden die prädestiniert für eine Nacht wäre, irgendwo ist da eine Burg oder Ähnliches, direkt am See und weit weg von allem. Nach 3 mal verfranzen hab ich das Dorf namens Göksholm dann gefunden, sehr geile Umgebung, eine Allee nach einer uralten Steinmauer die den Ortseingang markiert, paar Höfe, Leute mit Rechen und Gabel am Straßenrand, eine Pferdekoppel, riesige Bäume und irgendwann nur noch Waldweg wo ich einen Wendeplatz kurz vor einem entlegenen Bauernhof gefunden hab der ideal für die Nacht war. Die anschließenden Ereignisse stehen schon im Bericht von Gestern, da ich meistens wenn ich schreibe vom vergangenen Tag berichte, wodurch, wenn ich von dieser Gewohnheit abweiche, leichte Interferenzen auftreten können. Aber nur leichte. Welch herrliches System!

15.7.05
Hab nach kurzem Blick ins Kartenmaterial beschlossen auf den kleinen Land und Nebenstraßen zu bleiben, hat mir die letzten Tage ganz gut getaugt. Auf der Strecke wurde dann unterwegs Eskilstuna als vorläufiges Ziel angesteuert, Strecke konnte nicht besser sein: alte Windmühlen und Farmen, Dörfer und Natur. Der Zielort selbst war dann auch nicht ohne, erste Anlaufstelle war wieder mal der Onlinezugang der Bibliothek. Oddie ist aber leider immer noch verschollen im Äther. Da nichts besseres zu tun war hab ich schnell die Nummer von der Bude in Stockholm, in der ich mich für morgen angekündigt hab, rausgesucht und gefragt ob was gegen eine heutige Anreise meiner Person sprechen würde. "Kein Thema, komm vorbei, haben Platz genug!". "Ja bestens!" war mein erster Gedanke, 2 Stunden später war ich in der hiesigen Hauptstadt und hab im Backpackers Inn eingecheckt, in der Hoffnung auf ein lockeres Hostel mit "anständigen" Leuten. Wurde aber ein wenig enttäuscht. Zwar mal was anderes in einer Schule zu wohnen, Dorm im Klassenzimmer, Duschen in der Sporthalle, war aber alles sehr steril, Leute wie Bau. Komm irgendwie nicht rein in das elitäre Gesocks. Komischer Haufen, im negativen Sinn. Egal, morgen was neues suchen.

16.7.05
Nach der ersten Nacht außerhalb vom Bully im Dorm 111 mit einem Kerl der vermutlich ein Sägewerk verschluckt hat, hab ich die im Hostelkühlschrank verbunkerten Lebensmittel verfrühstückt, dann bin ich erkundungshungrig in die Stadt aufgebrochen. Erster Eindruck: Gigantisch! Urschöne Altstadt, gassendurchwoben, verzwickt und verschachtelt dass es schöner kaum geht und überall zwängen sich noch paar Cafestühle zwischen die Bäume in den Gassen. Nach ewigem Schlendern und Flanieren kam ich an einem Kellerladen vorbei der von außen zwar nicht viel zu bieten hatte, aber vielleicht gerade deswegen einen guten Eindruck machte. Also runter. Ein massives Gewölbe, verwinkelt wie die Straße oben drüber. Ein Plattenladen vorne, einen Gang weiter hinten Klamotten und aus irgendeiner Ecke kommt der altvertraute Ton einer Tätowiermaschine. Und wo Tattoos gestochen werden sind die Piercer meist nicht weit, und ein solches kam mir da wieder als Stockholmsouvenir in den Sinn. Seine Ecke war gleich gefunden, der Meister selbst war aber gerade außer Haus um was zu Essen, also kurz warten. 15 min, ein Stich und 450 SEK später war der Ring in der Lippe, ich um eine Verziehrung reicher. Der Kerl war OK, hat mir noch seine Nummer gegeben, falls was sein sollte, dann war ich wieder unter der Sonne. 2 Ecken weiter stolper ich dann über 2 abartig gute Straßenmusiker. Ein Typ mit Klampfe und ein Mädchen mit mörderischer Stimme saßen am Rand der 2 m breiten Fußgängerzone und schmettern Evergreens und schwedische Folksongs aus allen Rohren. Gegenüber saßen auf einer Schaufensterbank schon ein ehrwürdiges Publikum in Form eines Metallers mit Haaren bis zum Arsch und einem bierseeligen alten Schweden. Brauchte nicht zu überlegen, hatte sofort den Platz des 3. im Bunde eingenommen und eine Ewigkeit lang die Musik und Menschen genossen. Fast zu jedem Lied das ich nicht kannte wusste der vergilbte Kerl neben mir eine Geschichte, die er mir ohne Umschweife erzählte. Irgendwann ist die Musik weiter gezogen, ich und meine Begleiter sind mit grinsendem Gruß ebenfalls unserer Wege gegangen. Mich hat's zum ersten Plattenladen verschlagen, halbe Stunde später stand ich mit 3 neuen Scheiben da. Und das war erst der erste seiner Art. Bei den anderen hab ichs zum Glück beim stöbern belassen, sonst wäre mal wieder eine Budgetsprengung vorgefallen.
Nach 6 Stunden Latschen durch den größten Teil der Altstadt bin ich dann wieder im Hostel eingelaufen und hab erst mal die Beine gestreckt. Nach der Dämmerung dann aber wieder rein in die Stadt, in Gesellschaft von 2 Schweizern, auf der Suche nach einer Bar die vertretbare Bierpreise mit gitarrenlastiger Hintegrundbeschallung verbindet. Kaum eine halbe Stunde später haben wir in Medusas Rockbar Audioslave bis Pixies auf den Boxen und Falcon-Starköl auf dem Tisch. Der Laden war astrein, gegen halb2 wurde dann wegen KO-feelings auf schweizer Seite der Heimweg angetreten. Im Schulhof wurde dann noch eine Weile zusammen gesessen und ich hab eine Runde Bier aus den Busbeständen geschmissen, wobei ich eine böse Überraschung erleben musste: Haben mir doch irgendwelche hirnverbrannten Arschlöcher das Ausstellfenster in der Beifahrertür eingeschlagen! Karre durchwühlt dann aber doch nur die MAG-Lite als lohnenswerte Beute befunden. KAGGE! Kein großer Schaden, aber ich kann die Karre nicht mehr vernünftig abschließen und es pisst evtl. rein.

17.7.05
Hab gestern die Schule verlassen und bin quer durch die Stadt nach Södermalm umgesiedelt, direkt an den Kai von Slusen. Ein ausrangiertes Passagierboot das inzwischen als Hostel und Bar fungiert, Ambiente schon mal 400% besser als die blank polierte Bettenburg der letzten 2 Tage. Die Dorms sind so winzig dass ich mit Gepäck gerade so rein passe, sind neben dem meinigen noch 3 weitere Betten da, aber ich hab die Koje am Fenster erwischt. Erst mal ein Nickerchen eingelegt, vorher noch den Bus auf einen Parkplatz verfrachtet von dem ich glaube dass er übers Wochenende gratis ist. Gegen Abend bin ich wieder aufgewacht und hab die Bekanntschaft von David gemacht, ein Schotte der die Pritsche unter mir bewohnt und nebenbei ganz in Ordnung zu sein scheint. Die Sympathie wurde dann bei mehreren Bieren an Deck und später in der Altstadt bei ewigem philosophieren über Musik und Subkultur noch stark verstärkt, der Durst war groß und relativ schnell wurde rundenbasierend weiter gelitert. so Zwischen der 5. und 9. Lage Falcon ist dann noch ein Neuseeländer ohne Namen durch unsere englischsprachige Konversation angelockt und integriert worden. Bei den Runden blieb er außen vor, hatte sich in der Happy Hour gleich mit 5 Bier eingedeckt und zehrt davon noch eine Zeit lang. Zu sehr später Stunde hab ich dann aus Budgetgründen und starkem Neigungswinkel die Segel gestrichen und bin wieder an Bord der "Gustaf af Klint" geklettert.

18.7.05
David und die Mädels, die noch auf dem Dorm waren, sind schon in aller frühe des gestrigen Tages aufgebrochen, seither hab ich die Bude wieder für mich. Nach einem verkaterten Morgen hab ich mich dann mal wieder nach dem Bus umgesehen und musste feststellen dass die ihre Parkwächter doch ganz gut rumschicken. Ticket über 425 SEK am Wischer, und laut Schild, welches ich vorher übersehen hab, kostet 24 Std. parken lediglich 40 SEK. Also schnell Scheine auf Münzen wechseln und Parkschein holen. Als ich vom Geld klein machen komm steht dann auch schon wieder einer da und will mir eine Knolle verpassen! Lies aber mit sich reden. Den Rest vom Tag hab ich dann in Södermalm verbracht und dabei festgestellt das das die mir wohl sympathischste Ecke von Stockholm ist. Überall kleine rotzige Kneipen, Bars und Hinterhofclubs mit Stil, etwas abseits vom Mainstream, viel Graffiti und Plakatierarbeit, ein Skatepark mit Pool und ein Haufen lockerer Leute auf der Straße. Kein Abbruchviertel, nur eben nicht so gebohnert wie Östermalm oder so speziell wie Gamlastan. Etwas Normal geblieben, etwas normfremd vielleicht. Eine Gegend in der ichs aushalten könnte.

Heute dann beschlossen gegen Abend aus Stockholm raus zufahren, Grund: Der Bus wurde ein zweites Mal Opfer gewalttätiger Autoknacker! Diesmal wurde die fehlende Scheibe gar nicht beachtet, sondern professionell die Schiebetür geknackt. Und das Tankschloss hat seinem Namen auch keine Ehre gemacht. Bilanz: Wieder halb so wild, aber ärgerlich. Kein nennenswerter Schaden, Svens Kameratasche (Inhalt war in weiser Voraussicht bei mir im Hostel), mein Hut, und, der schlimmste Part: meine kompletten Bierreserven gingen in Schwedenhände. Bis auf eines, EIN EINZIGES haben sie mir netter weise im Kühlschrank gelassen, sehr entgegenkommende Halunken.

20. Juli 2005, 8 Tage bis Heimathafen
Bin dann also nach 5 Finanzmittel fressenden aber dennoch absolut genialen Tagen "Stockholm mit Alles" wieder auf der Straße. Dem Part, der auf Drifts aller Art immer wieder ein Grinsen aufs Gesicht zwingt, egal wie die Stimmung ist. Die Richtung ist Vorwärts, das Ziel ist das Gestern zurück zulassen. Wo ich im Endeffekt genau hin wollte wusste ich mal wieder nicht, auf jeden Fall bis auf die untere Hälfte der Karte. Zwischen Norrköpping und Linköpping bin ich dann zufällig über den Götakanal gestolpert, ein 200 Jahre altes Bauwerk, nebenbei ist die Gegend außenrum auch noch traumhaft. Also bin ich der Wasserrinne eine Zeit lang nach gefahren, hab hier und da eine Pause eingelegt, dem Treiben der kleine Schlepper und Boote zugeschaut und die Kontorviertel in den Orten entlang des Kanals näher begutachtet. Dann wurde bei Motala hinter den Schleusen mitten in der Pampa das Lager aufgeschlagen, die Küche eingesaut und der Erntedankstuhl malträtiert.

Von dort ging's dann am 19. weiter runter bis nach Vadstena, laut Insiderinfo eine gute Ecke für paar ruhige Tage am See, alte Burg inbegriffen. Fehlanzeige. Zwar wirklich nur ein Nest, aber von Reisebussen überlaufen, nix für mich. Dort dann aber in der Broschürenabteilung der Burg, wo ein kurzer Explosionsregen abgewartet wurde, die Idee ausgebrütet über Söderköpping in die Schären von St. Anna zu fahren und dort exzessive Faltbootpiraterie zu betreiben. So ward es gesprochen so wird es geschrieben. War nur einen Katzensprung weg, Stück Landstraße und Autobahn, ab der Hälfte dann wieder absolut mein Metier, kleine Nebenstraßen die sich durch Hügelketten und knorrige Alleen ziehen, kaum Platz für 2 Fahrzeuge und komplett frei von Touristen, zumindest fast. In Söderköpping dann den Nachmittag verschlendert, Altstadt war auch ganz nett, dann nochmal am Kanal vorbei geschaut. Nebenbei dann noch komplett neue Vorräte angelegt, die alten sind beim 2. Bruch in Stockholm von den Autoknackern übernommen worden. Auf Bier wurde allerdings auf Grund des extremen Preisniveaus in Skandinavien verzichtet.
War dann ca. 6 Uhr als ich wieder im Bus saß und fast an die Decke gesprungen wäre als sich der mittags abgestürzte I-Pod wieder meldete und ohne Probleme die Stereoanlage befeuerte.
Der Rest der Strecke bis Nord Finnö war dann weiterhin fantastisch schön, es gab noch eine Festungsruine deren Turm mich schwer fasziniert hat und 2 Tramper die vom Einkaufen zurück in den Yachthafen unterhalb der eben besungenen "Stegeborg" unterwegs waren. Hab die beiden schon vorher irgendwo am Kanal gesehen, denke die haben da gerade geschleust. An der Spitze des St. Anna (Schutzpatronin aller Seeleute) Archipels gab's dann nur einen großen Anleger und einen streng durchexerzierten Dauercamperplatz, was mich nach 2 sec. zum wenden und weitersuchen veranlasst hat. Bin dann bei Gränsö auf einem gemütlichen Campingplatz mit freier Platzwahl, vielen Zelten, Bussen und einer Wiese am Wasser gelandet. Hatte keine Lust mehr noch weiter eine wilde Stelle zu suche die gleichzeitig weg von der Straßen und so nah am Wasser ist dass ich alleine mit dem Boot klar komm. Schwer möglich da hier sehr viel Steilküste vorgelagert ist.

Anmerkung am Rande: Zu tiefster Enttäuschung des Autors haben bereits in Stockholm Oddie und die Ammerndorfer Fraktion die geplante Zusammenkunft in Südschweden abgesagt. Ersterer aus Geldmangel, Chrissi und Andi haben die Ziele ihres Motorradtrips in südlichere Gefilde verlagert, evtl. Kroatien. Schade, hab aber ja eh kein Bier mehr.

Letzte Nacht hat's mal wieder einen anständigen Wolkenbruch gegeben, hat gut gegossen, aber kein Vergleich zu dem vor 2 Tagen, der mich auf der Autobahn genötigt hat das zerstörte Ausstellfenster notdürftig mit einer Einkaufstüte und Panzertape zu flicken. Sonst hätten die Boxen und der Innenraumrost anders reagiert als sie sollten. Heute Nachmittag war dann aber wieder gut Sonne und ich hab voller Elan das Boot aus dem Bully gezogen. Als der Kahn fast stand muss es natürlich wieder anfangen zu schütten. Nach 10 min. war die Show dann aber doch vorbei, die Wolken waren so gut wie weg und ich konnte in See stechen.
Die Schären sind die Perfekten Paddelgründe, 100te Inseln, viel Natur, hier und da paar Häuser und Brücken. Und immer Land am Horizont, egal wie viele Eilande ich umschiffe. Kaum bin ich dann eine Stunde draußen zieht es wieder zu, schneller als mir lieb ist. Bis zum Anlegeplatz respektive trockenem Bus ist es locker eine halbe Stunde zurück.... Der Steg war schon in Sicht als der Himmel seine Schleusen auf einen Schlag geöffnet hat, konnte gerade noch den Poncho aus dem Rucksack reißen und überwerfen. Dazu hat natürlich der Wind und somit die Küstenströmung zugenommen, was nochmal 10 min. Gegenhalten hieß um dann gut durchweicht das Boot an Land zu ziehen. Dann stand ich noch eine ganze Weile am Ufer, hab den Wind gehört, der Regen lief an mir runter während ich das Meer angestarrt hab und wieder mal feststellte wie gut es ist das Wetter zu spüren. Im Bus dann was gekocht, und abends dann nochmal für paar Stunden raus aufs Wasser, die westliche Küste in Angst und Schrecken vor dem deutschen Faltbootpirat versetzt. Da dann irgendwann wieder eine Front von dunkelster Farbe vor mir am Himmel stand hab ich schnellst möglich in Richtung Heimathafen gehalst und bin dann diesmal trocken angekommen.

22.07.05
Joah, die letzten 2 Tage sind schnell erklärt: Bin gestern noch wegen Regen bis um 2 auf dem Campingplatz fest gesessen, konnte erst dann das Boot halbwegs trocken zerlegen und verstauen. Dann gab's wieder mal einen Kilometertag, bin bis kurz vor Ystad durch gefahren, mit einem Zwischenstop in Åduidaberg. Endstation dann in Kivik, im Zeichen alter Zeiten, unter einer Eiche die zu der Zeit des Königs der im zwei Steinwurf entfernten "Kungagraven" nach Walhalla fuhr, aufgegangen sein könnte. Nebenbei wurde gestern gegen 8 der 10000ste Kilometer dieses Trips auf den Tacho gespult.

Heute wurde dann das oben erwähnte Königsgrab besichtigt, ein riesiger Hügel aus Steinen die unter sich eine Grabkammer beherbergen. Nachmittags dann weiter bis zu einer Stelle an der Steilküste die "Ales Stenar" genannt wird, eine Steinformation aus Wikingerzeiten die sich sehen lassen soll. Hat sich aber rumgesprochen wie mir scheint, nach einem Kilometer aufstieg trat das ein was ich schon auf dem Parkplatz befürchtet hab: Alles voller Touristen in Rosa T-Shirts, die Digicam stolz vor sich hertragend, dahinter die Frau mit Kinderwagen und 2 Schreihälsen. Ich hab ja nichts gegen solche Menschen, nur machen Kinder die auf den Steinen klettern und ihrer Freude darüber lautstark Ausdruck verleihen und Leute die in dem Steinzirkel mit Plastikgeschirr und Radio picknicken den Charakter solcher Orte einfach kaputt. Genauso wenig würde ich dort jemand verscheuchen wollen, jedermann kann dort tun und lassen was er will, ich hätte es ganz gerne ruhig, also muss ich wieder kommen wenn keiner da ist. Hab dann beschlossen nochmal in die Hügel von Brösarp zu fahren und dort den Nachmittag zu verbringen und was zu essen. Hab ich gestern Nacht bereits durchquert und fand's eine ziemlich schmucke Gegend, weswegen ich am Tag nochmal hin wollte. Gegen 9 war ich dann wieder an den Klippen und der Trouble hatte sich tatsächlich komplett gelegt. Neben mir noch 2 oder 3 Sonnenuntergangsanbeter, und eine nette Malerin die die ganze Szenerie mit Wasserfarben auf Papier bannt. Die Stimmung und Stille die zu solchen Orten gehört schwingt langsam ein und ich genieße eine halbe Ewigkeit lang wie die Sonne hinter den Steinen von einem Monster aus roter Glut gefressen wird und irgendwann hinter den Horizont stürzt. Ein Anblick für Götter, mit einer Kulisse die ihres gleichen sucht.

23.7.05
Es ist gegen Abend irgendwas nach 8, und ich hab soeben den Entschluss gefasst dass dies der letzte Eintrag wird. Sobald er geschrieben steht wird mal wieder die Nacht zum Tage gemacht und und in die Heimat gefahren. Dänemark ist nicht weiter der Hit, und nur weil man da ist muss man nicht unbedingt alles anglotzen. Gibt eh nicht die Welt, außer Acker und Windkraftwerke. Und die nicht zu knapp, kein Blick irgendwo hin ohne Propeller dabei zu haben. Der heutige Tag steht schon unter dem Sternbild des Großen Wagens, hab auf dem Weg nach Dänemark noch die Städtchen Ystad und Lund mitgenommen, beide ganz nett, nichts hochwichtiges aber. Lund könnte zu Studiumszeiten ganz gut sein, momentan sind die 35000 Studenten aber irgendwo anders am feiern. Das Wetter ist auch seit einigen Tagen ziemlich durchwachsen, also nix mit schmoof draußen sitzen und relaxen. Heute Nachmittag hatte ich dann noch Gesellschaft, in Ystad standen 2 Mädels aus dem deutschsprachigen Nachbarland and der Straße und wollten per Daumen nach Trelleborg. Lag auf dem Weg, schwups, Runde Smalltalk und Drifteraustausch, ab der Fährstation der beiden dann wieder im Alleingang. Dann über Malmö auf die Europabrücke, einmarsch in Dänemark. Auf Großstadt Kopenhagen hatte ich gerade überhaupt keinen Bock, und die Wikingerfestung an der ich gerade stehe ist nur ein Haufen Erde und daher etwas entäuschend. Aufgrund aller oben aufgeführten Ereignisse und Tatsachen kam ich zu dem noch weiter oben genannten Entschluss.

So, mehr war nicht, hoffe ich schaffs in einem Zug durch. Müsste aber gehen, hab gerade Energie mit der man den Kontinentaldrift aufhalten könnte!

Wenn man das Gefühl hat man ist fertig mit etwas was man tun wollte, abgeschlossen und erfolgreich, dann sollte man nicht versuchen hinauszuzögern was unvermeidbar ist.